Erklärung der Fraktion zum Grünen Weg

Derzeit hat man den Eindruck, dass sich die Bewertungsmaßstäbe in Aurich verschieben und mit zweierlei Maß gemessen wird.

Seit der Eröffnung der Johannes–Diekhoff-Straße kämpfen die Anwohner des Grünen Weges um die Einlösung eines Versprechens, das die Stadt Aurich ihnen zu Beginn der Planungen gegeben hat: Der Grüne Weg werde kein Teil eines Schleichweges zur Umgehung der Innenstadt.

Aber genau das ist zur Zeit bittere Realität. Nachdem mehrere Versuche der Verkehrsberuhigung im Grünen Weg scheiterten, sollte eine Fahrradstraße mit Anliegerberechtigung für PKW die erhoffte Lösung bringen. Sie hätte es auch sein können, wenn sich alle an die Regeln der Straßenverkehrsord-nung halten würden. Leider nur ein frommer Wunsch. Es trat genau das ein, was ausgeschlossen werden sollte. Autofahrer*innen nutzen weiterhin den Schleichweg, die Polizei stellte fest, dass 80 – 90% der durchfahrenden PKW die Verkehrsschilder ignorieren und die StVO verletzen – das sollte zu denken geben.

Am 12.3.2020 dann die schicksalhafte Begegnung eines mit 2 Promille betankten Autofahrers mit einem Brückenpfeiler. Plötzlich war Ruhe, ausgelöst durch die Brückenschäden und das dadurch zwangsweise verordnete gesetzeskonforme Verhalten. Sackgassen erlauben nur Fahrradfahrern den Durchgangsverkehr.

Anwohner griffen diese Erfahrung auf und regten die Errichtung eines Pollers an. Die Polizei konnte sich ebenfalls für diese Idee erwärmen. Nur die zuständige Stelle in der Stadtverwaltung nicht. Die möchte erst noch prüfen, bis zum Ende des Jahres. Was genau sagt sie nicht. Die Erfahrungen aus der Sperrung, die Aussagen der Anwohner*innen oder der Polizei – für die Stadtverwaltung nicht aussagekräftig genug.

Was bleibt Bürger*innen, wenn alle konstruktiven Vorschläge und Appelle verpuffen? Was bleibt, um auf einen Missstand aufmerksam zu machen? Die Bürger*innen griffen zum Mittel der öffentlichkeitswirksamen Aktion: Ein Pappkamerad in Form eines Pollers versperrte für 10 Minuten Schleichwegnutzern die Durchfahrt. Und dieselbe Stadtverwaltung, die in Sachen Grüner Weg bislang äußerste Toleranz mit den Verkehrsverstößen der Autofahrer*innen praktiziert, fährt nun schweres Geschütz auf: § 315b, Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr, Anhörung, Entlarvung der Täter, Geldstrafe oder bis zu 5 Jahre Gefängnis.

Stimmt da noch die Verhältnismäßigkeit? Während die permanenten Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung (lt. letzter Polizeikontrolle 18 Verstöße in 30 Minuten) von Verwaltung und Politik nur zur Kenntnis genommen, aber offenbar toleriert werden, spielen die Interessen der Anwohner und Fahrradfahrer keine Rolle. Eine kleine Aktion des zivilen Ungehorsams, wird zu einer Straftat hochstilisiert, weil sie für die Stadtverwaltung einen Angriff auf die Freiheitsrechte der autofahrenden Mehrheit darstellt.

Ziviler Ungehorsam und friedlicher Protest sind untrennbar mit einer lebendigen Demokratie verbunden und sollte von Mitbürger*innen und staatlichen Stellen auch einmal ausgehalten werden.

Die Strohballen, die uns von demonstrierenden Bauern vor das Büro in der Fußgängerzone gelegt wurde, war eine dieser kleinen Aufmerksamkeiten, die Protest unterstreichen und sichtbar machen. Wir wären nie auf den Gedanken gekommen, deswegen Anzeige wegen Nötigung zu erstatten.

Bleibt zu hoffen, dass sich die Aktivist*innen nicht einschüchtern lassen und solidarisch bleiben. Einladungen der Stadt zu Anhörungen muss man nicht Folge leisten. Die Beweggründe sind nachvollziehbar und ehrenhaft, der Protest war friedlich und die zur Debatte stehende Schuld gering, insofern wird es wahrscheinlich nach § 153 StPO ohnehin eingestellt werden. Statt hierfür also unnötig Energie und Arbeitszeit zu vergeuden, sollte die Stadt lieber auf die Bürger*innen zugehen und zeitnah nach einer praktikablen Lösung dieses schwelenden Konflikts suchen.

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