Weggucken ist keine Lösung

Erklärung der Fraktion in der Ratssitzung 14.12.2021

Unter dem Aspekt „Wehret den Anfängen“ hat die sich die Fraktion in ihrer Erklärung mit den Aktivitäten der Querdenker*innen in Aurich und den erforderlichen Gegenmaßnahmen auseinandergesetzt. Weggucken ist keine Lösung.

Die Erklärung im Wortlaut:

Verehrte Kolleg*innen

Weihnachten ist die Zeit der Wünsche. In diesem Jahr ist einer in Erfüllung gegangen. Nach 6 Jahren ist ein Ratsbeschluss endlich umgesetzt worden – der zum Panzergraben.

Dafür bedanken wir uns bei Bürgermeister Feddermann, beim KZ- Verein Engerhafe und bei Gunnar Ott. Wir hoffen, im nächsten Jahr den Rat zu einer gemeinsamen Begehung zu motivieren.

Dass wir das Gedenken und die Sichtbarmachung von solchen Ereignissen dringend nötig haben, zeigt der jüngste Vorfall nur ein paar 100 m weiter in der Nähe von Mutter Janssen. Auf der Literaturroute wurden die Tafeln von Lesetoll durch Zeitgenoss*innen aus dem Umfeld der Querdenker mit obskuren Thesen und Falschinformationen bestückt. Wie verpeilt und sinnbefreit muss man eigentlich sein, kindlich gestaltete Tafeln durch solche verqueren Thesen zu verunstalten?

Und man fragt sich, was solche Leute antreibt. Und da lohnt es sich schon, auch mal auf die Biedermänner in unserer Stadt zu gucken, die gern selbst einmal das mediale Feuer entfachen.

Betrachtet man die Absonderungen der letzten Tage durch einen gewissen Blog*, sind diese an Scheinheiligkeit nicht zu überbieten.

Nein, man macht sich nicht lustig, man kritisiert nur, entrüstet und empört sich. Ein riesengroßes Staatsversagen wird diagnostiziert. Und die schlechte Stimmung, die gebetsmühlenartig in Wiederholungsschleife beschworen wird. Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!

Klar, aber es animiert zu Äußerungen, dass man harmlose Bändchen, die der Sicherheit einzelner dienen sollen, in den Kommentaren mit den Judenstern gleichsetzt. Zitat Gerd Meerjans: „Ich werde mir einen gelben Stern auf meine Jacke nähen, dann herrscht endlich Klarheit“ . Es werden wieder mal Parallelen zum 3. Reich gezogen, Zitat Freya Fresena: „Einen Personenkreis mit sichtbaren Merkmalen zu kennzeichnen, kenn ich aus dem Geschichtsunterricht, vor 80-90 Jahren“. Und es wird über nächtliche Spaziergänge unverhohlen schwadroniert. Zitat Franziskus Stubenqualm: „Ich denke, die abendlichen „Spaziergänge“ werden deutlich zunehmen.“ Ein gewisser Harald antwortet: „Ich bin dabei. Dick anziehen und wegen der Polizeieinkesselungen, Klopapier nicht vergessen….“ Und Kalle Grabowski kommentiert: „Hogesa, die Bruderschaft Deutschland und die Steeler Jungs sollten endlich wieder spazieren gehen.“

Diese Kommentare bleiben allesamt unkommentiert stehen und genügen anscheinend den postulierten Ansprüchen an Respekt und den Community- Richtlinien. Kritische Kommentare werden dagegen gelöscht, die Verfasser geblockt. So geht Meinungsvielfalt.

Die Frage ist: Darf das? Ja, das darf! Aber müssen wir als gewählte Politiker*innen hinnehmen, dass er von der Stadtverwaltung hofiert, seine Kommentare verharmlost werden?

Die Gesellschaft driftet auseinander, entsolidarisiert sich, nicht nur woanders, sondern auch hier in Aurich.

Sie hat längst die bürgerliche Mitte erreicht. Besonders wenn offizielle Gremien wie Verwaltung und Teile der Politik solche mediale Machenschaften nicht nur ignorieren und verharmlosen, sondern sie sogar als Sprachrohr nutzten.

Die Hoffnung, das verwächst sich schon, wenn man nur lange genug wegguckt, ist ein gefährlicher Trugschluss.

Bislang mussten nur Kinder mit ihren Gedichten dran glauben; was sonst noch passieren kann, erfährt man aus den Nachrichten.

Wir als Stadt Aurich sollten nicht den Biedermann geben und endlich unserer Verantwortung gerecht werden, indem wir solches Verhalten nicht mehr tolerieren. Zum Beispiel, indem wir hier nur ausgewiesene Pressevertreter*innen in der Stadthalle zulassen.

Mein Wunsch fürs neue Jahr: genau hingucken und Gesicht zeigen. Und sagen was ist. „Wehret den Anfängen. Zu spät wird die Medizin bereitet, wenn die Übel durch langes Zögern erstarkt sind“ (Ovid 43 vor Chr.) Was für die Pandemie gilt, gilt für den Rechtsruck schon lange. Die Initiative „Aurich zeigt Gesicht“ ist eine Aufforderung, der wir nachkommen sollten.

*gemeint ist der Blogger von Aurich TV

Hier die Erklärung als PDF-Datei:

Erklärung der Fraktion Dez 21

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